GRAŻYNA KANIA
KABALE UND LIEBE zurück
THÜRINGER ALLGEMEINE ZEITUNG, 21.03.2005
Die Schillermaschine
Weimar: Grazyna Kania zeigt überzeugend, wie „Kabale und Liebe“ funktioniert
Von Henryk Goldberg
Die beiden gehen aufeinander zu und die Musik kommt wie von der Spieluhr. So klingen Karussells in Frankreich, kunstvolle Maschinen, auf denen kunstvolle Figuren kunstvoll bewegt werden. Später sind da große weiße Luftballons, wie schöne Seifenblasen. Hinten stehen schon all die anderen Figuren. Und die Maschine beginnt sich zu drehen und niemand wird sie aufhalten. (...) Die Bühne von Vinzenz Gertler ist weiß und leer, hell und bleich, die rechte Folie für eine luzide Aufführung, die Spannung schlägt aus ihrer analytischen Klarheit. (...) Eine klare Aufführung mit vielen Spannungsräumen. Es ist die Spannung des Labors. Es ist kaum je die Liebe, die uns bewegt, es ist das Staunen, wie gut geölt diese Maschine ist.
Das Ensemble schien so gut disponiert wie lang nicht mehr: Wenn eine Theater-Maschine so gut geschmiert ist, dann wirft die Truppe keinen Sand ins Getriebe. (...) Ina Piontek findet ihren Höhepunkt und den des Abends, wenn Wurm ihr den Brief diktiert, den sie nicht schreibt, nur erleidet. Wie sie wieder fordert, schon das Sterben im Ton, immer „weiter“ wie sie das Kleid abstreift und schon den Tod schaut, in ein Irgendwo blickt, das sie entrückt, das Schlachtopfer, da ist der Abend sehr weit oben. Ferdinand, Marc Benjamin Puch, kein blutig liebender Jüngling, eine Figur, die tut, was sie tun muss, ein Gefangener seiner selbst, ein Mitverschulder. Wenn er Lady heiraten soll verkrümmt er sich veitstänzig, schreit, als zittere er das lange Echo der Figur seit 1784. Ein kindlichnaiver Trotz, seine Berechenbarkeit ist die Bedingung des Ganzen. (...)
Eine klare, ausgearbeitete Inszenierung, ein Gewinn für das Haus.
THÜRINGER LANDESZEITUNG, 21. 03. 2005
Jugend rebelliert gegen erstarrte Konventionen
„Kabale und Liebe“ in Weimar: radikal, poetisch, heutig.
Von Thomas Bickelhaupt
(...) Grazyna Kania hat den altmodisch anmutenden Text auf das Wesentlichste gestutzt und gleichzeitig sprachlich etwas aufgefrischt. Den Akzent ihrer Regie setzt sie weniger auf den Clash von Adel und Bürgertum als vielmehr auf die individuelle Liebesgeschichte von Luise und Ferdinand. Während der Präsidentensohn in Erpressung eine Chance für ihre Liebe sieht, ist für die Tochter des Stadtmusikanten schon sehr bald klar, dass letztlich nur der Tod einen Ausweg aus ihrem vorgegebenen Schicksal bieten kann.
Die Betonung dieser Haltung in der Figur Luisens gibt der Inszenierung eine zusätzliche Dimension, deren religiöser Aspekt nicht nur für das germanistische Oberseminar interessant sein dürfte. Auf der Bühne entfalten sich indes menschliche Leidenschaften in einem Meer von weißen Luftballons, mit denen die anfängliche Momente der Glückseligkeit der Liebenden stets präsent sind. Dabei hat die Regisseurin weder Angst vor modischem Neusprech noch vor Comedy und Slapstick.
OSTTHÜRINGER ZEITUNG, 21. 03. 2005
Ein Abend der Väter
Trauerspiel in tristem Grau: Premiere für Schillers „Kabale und Liebe“ am DNT in Weimar
Von Sabine Wagner
(...) Mit glaubhaften, differenzierten Spiel fechten sie (Die Väter, Detlef Heinze und Jörg Wisbach) ihren ganz persönlichen Kampf, den die Standesgrenzen längst entschieden haben und bei dem am Ende die Kabale über die Liebe siegen wird. Mit stoischer Sicherheit fädelt von Walter seine ehrgeizigen Pläne ein, die ebenso zum Scheitern verurteilt sind wie die Hoffnungen Millers auf das Glück seiner Tochter. Wie Heinze mit „Halten zu Gnaden“ seine ohnmächtige Wut und Verzweiflung dem Präsidenten ins Gesicht schleudert, an den Händen und Füßen zitternd, gehört zu den großen Szenen dieses Abends. (...)
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