GRAŻYNA KANIA

 
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DIE FRAU VOM MEER                           zurück


SÜDKURIER, 12.03.07

Ein Schiff wird kommen

Von Wolfgang Bager

(...) Die polnische Regisseurin Grazyna Kania hat Ibsens brodelndes Seelendrama am Stadttheater Konstanz nun als Kammerspiel auf die Bühne gebracht. An alles ist gedacht, alles gibt seinen Sinn, Zweckmäßigkeit, die sich selbst erklärt. Ein zusätzlicher Guckkasten auf der Bühne (Ausstattung: Heike Meixner) signalisiert Enge und die Nüchternheit skandinavischen Designs, die Aussicht reicht allenfalls bis zu zwei abgestorbenen Baumstämmen, von Horizont keine Spur.

(...)Theresa Berlage gestaltet ihre Rolle konzentriert mit jener befremdenden Künstlichkeit, die ihr konkretes Eheproblem weit hinaufhebt in die abstrakte Fragestellung der Vereinbarkeit von Freiheit und Liebe. Nicht der bodenständigen Natur gilt Elidas Sehnen, sondern den Verheißungen jenseits des Horizonts. Und auch der Seemann ist als konkrete Person uninteressant, er steht als Archetyp für den erotischen Reiz von Freiheit und Unendlichkeit überhaupt, ähnlich wie der Kapitän des Geisterschiffes in Wagners "Der fliegende Holländer". Und wie der Fluch des Holländers, die Weltmeere ewig befahren zu müssen, erst durch die Kraft einer liebenden Frau besiegt werden kann, findet auch Elidas wahnhafter Freiheitsdrang in dem Moment sein Ende, in dem ihr Mann (Klaus Redlin) ihr die Freiheit lässt, mit dem Fremden zu gehen. Jetzt hat sie die Kraft und Freiheit, ohne Zwang bei ihrer Familie zu bleiben.

Vor allem im zweiten Teil nach der Pause gewinnt die Inszenierung an Spannung und Dichte, jetzt gelingen große Momente, jetzt hat auch die Personenregie mehr Kontur. Wie sich etwa Elidas Schicksal doppelt, wenn auch Stieftochter Bolette (Susi Wirth) sich gegen alle Bedenken ihrem alten Lehrer (Bernhard Leute) verspricht, nur um der Enge des Fjords zu entkommen, das ist wunderbar herausgespielt. Gut besetzt auch Anne Breitfeld als erlebnishungriger, aber doch verletzlicher Teenager und Nico Selbach, dem als abgehobenem moribundem Künstler die Sorgen und Nöte der Familie Wangel so gänzlich verborgen bleiben. Fast wäre das Happy End zu sehr von dieser Welt gewesen, wenn, ja wenn nicht aus der Ferne eine Schiffssirene zu hören gewesen wäre. Elida stutzt, hält fragend inne. (...) Viel Beifall.